Die gestreiften Wyandotten Teil 3
Die gestreiften Wyandotten Teil 3
Noch in den zwanziger Jahren wurde die Zucht dadurch erschwert, daß man im Schaukäfig in beiden Geschlechtern eine gewisse Farbengleichheit verlangte. Dadurch wurde die Zucht in zwei farblich unterschiedlichen Stämmen, der sogenannten Zweistammzucht, notwendig, die aber, schon des vielen Aufwandes wegen, vielen Züchtern die Zucht verleidete. Das Übel wurde auch damit nicht behobe, daß man sich offitiell von der Zweistammzucht lossagte, den Züchtern aber empfahl, an den helleren Hennenzucht-Hahn neben den schaumäßig hellgefärbten Hennen auch solche anzupaaren, die an sich für die Zucht zu dunkel waren, also die früheren Hahnenzuchthennen, nur um Ausstellungshähne zu bekommen, die an sich für die Zucht wertlos waren. Gerade mit dieser Methode kam eine Unsicherheit in die Zucht, die auf Jahre hinaus der Rasse den Weg zu größerer Beliebtheit versperrte. Mit diesen hochwertigen Hähnen wurde von weniger Kundigen weitergezüchtet und die Enttäuschung konnte nicht ausbleiben. Dies mag auch ein Grund mit gewesen sein, daß die gestreiften Wyandotten, trotz ihrer verhältnismäßig guten Verbreitung selbst auf großen Schauen nie groß hervorgetreten sind.
Die im Jahre 1931 endgültig festgelegte strikte Einstammzucht für alle Hühnerrassen mit einem gewissen Wirtschaftswert bedeutete das Ende der ehemaligen Hahnenzuchten. Für manche Rassen kam es dabei zur Aufteilung in zwei verschiedenen Farbenschläge. Sofern man nicht die Bestrebungen auf immer engere Streifungin der Plymouthzucht dazurechnet, hat sich in der Streifenzeichnung niemand um die Erhaltung der ehemaligen Hahnenzuchtlinie bereitgefunden. Bis sich aber die Erkenntnis durchsetzte, daß damit logischerweise dem für die Erzeugung mustergültig gefärbter Hennen bestgeeignetste hellere Hahn auch im Schaukäfig der Vorrang gebühre, dauerte ein Vierteljahrhundert.
Der völlige Zusammenbruch unseres Wirtschaftlebens nach dem zweiten Weltkrieg führte auch in der Wyandottenzucht zu einer gewissen Krise. Erstens hatte die Futterverknappung schon Jahre vorher eine entsprechend große Kükenaufzucht verhindert und damit die Vitalitätsauslese unterbunden, und zum andern war man während des Krieges eifrig besorgt, alles am Leben zu erhalten, was Eier legte. Hinzu kam der natürliche Verschleiß des immerhin nicht mehr jungen Erbgutes, vor dem keine Geflügelrasse bei noch so natürlicher Formpflege bewahrt werden kann. Dafür ist es Hausgeflügel, dem wir übernatürliche Leistungen abverlangten, und die natürliche Vitalitätsauslese, wie in freier Wildbahn, wird durch uns Menschen verhindert. Für eine erfolgversprechende Substanzerneuerung fehlte der geeignete Partner. So kam es zu den bekannten Nachzuchtschwierigkeiten, die erst mit den neuerlichen Importen amerikanischer Plymouths (Barred Rocks) überwunden werden konnten.
Der Zweck einer sogenannten Blutauffrischung ist, um betreffende Rasse, die evtl. in ihrer Vitalität und Körpergröße nachgelassen hat, einen Schuß neuen Blutes zur Erhöhung der Lebenskraft einzuflößen. Die Bezeichnung "Blutauffrischung" sollten wir nicht wörtlich nehmen. Es ist keine Auffrischung des Blutes sondern eine Zuführung neuer Erbfaktoren, also eine Auffrischung des Erbgutes. Das in unserem Fall verhältnismäßig gleichgeartete Erbgut beider Rassen führte dann auch, ohne besondere Aufwendungen, in den meisten Fällen sehr bald zu dem gewünschten Erfolg. Das Hauptziel, die Verbesserung der Körpergröße, wurde rasch und voll erreicht. Eine erfolgreiche Weiterzucht aber setzt gewisse Kenntnisse der neueren Erbforschung voraus. Biologisch sind die Nachkommen aus der Paarung zweier Rassen Bastarde, die keinesfalls für eine Weiterpaarung untereinander geeignet sind, da es durch weitere Zellteilung der ungleichen Erbfaktoren der Elterntieren sehr leicht zu Veränderungen im Erbgut kommt, mit denen man rechnen konnte, da sie sich bei keinem der Vorfahren gezeigt hatten. Somit erfolgt die Weiterzucht in den nächsten Generationen nur mit Hennen aus dieser Kreuzung, wie sie ebenfalls sicherheitshalber auch mit einer Henne begonnen wurde. Hähne hieraus sind für die Zucht, zumindest für beschränkte Verhältnisse, nicht geeignet. Zudem muß mit einem weiteren Ausfall an Hennen gerechnet werden, die wegen unerwünschter Merkmale für die Weiterzucht ungeeignet sind. Aber auch damit sind die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Experimentes nicht erfüllt. Vor allem gehören dazu die nötigen Platzverhältnisse. Mindestens zwei sicher getrennte Zuchtstämme, Lege- und Abstammungskontrolle, Kükenzeichnung und die erforderlichen Aufzeichnungen, und nicht zuletzt Ausdauer. Wer darüber nicht verfügt, findet in der Reinzucht eine dankbarere Aufgabe.
Oberstes Gebot für den züchterishcen Erfolg ist bei jeder Rasse die Erhaltung der Vitalität. Dies gilt ganz besonders für den kleinen Liebhaberzüchter, der Wert auf die letzten Feinheiten seiner Rasse legt. Diese erreicht man aber nur über die Inzucht, der ja letzten Endes alle Rassen ihre Entstehung überhaupt verdanken. Auch diese für uns so wichtige Frage hat die moderne Erbforschung geklärt und gezeigt, daß Inzuhct als solche weder schädlich noch nützlich ist.Sie bringt lediglich die bisher verborgen gebliebenen guten wie auch die schlechten Eigenschaften an den Tag. Sie führt zur Rinerbigkeit und deckt Mängel auf, die sonst vielleicht die Zucht jahrelang in ihrem Vorwärtskommen behindern würden. Andererseits aber führt sie zu den höchsten züchterischen Erfolgen, sowohl in der Leistung wie auch in der Schönheit. Vergessen wir aber nie, daß körperliche Schwächen, von beiden Eltern aus dem gleichen Erbgut , also doppelt vererbt, unweigerlich zur Degeneration und zum Ruin führen müssen. Mängel in der Befruchtung und Schlupf, anormale Fehlbildung sowie ungleiche Entwicklung der Jungtiere sind hierfür die ersten Anzeichen. Dies ist auch der Hauptgrund, warum die Inzucht von vielen Züchtern abgelehnt wird. Unerläßlich für den Erfolg planmäßiger Inzucht ist ein unbarmherziges Schlachtmesser während der Aufzuchtzeit. Alles, was in den ersten drei Monaten in der Entwicklung nicht mitkommt, darf auf keinen Fall in den Zuchtstamm. Später holen solche Kümmerlinge oft auf und die Symptome verwischen sich, bleiben aber eine große Gefahr, besonders für kommende Generationen ausgerichtet, wobei nicht mit zufälligen Mutationen gerechnet werden darf. Keinesfalls darf man erwarten, daß der Zufall Wünsche erfüllt, deren Veranlagung nicht im Erbgut verankert ist.
Die gestreiften Wyandotten sind sehr frohwüchsig, und wer in der Entwicklungszeit, etwa ab sechster bis achter Lebenswoche, sich mit den Eiweißangaben nicht sehr zurückhält, kann erleben, daß Hennen im Alter von reichlich vier Monaten mit dem Legen beginnen, ohne abgeschlossene körperlicher Entwicklung. Man muß schon rechtzeitig vorbeugen. Ist einmal die Geschlechtsreife stark vorgeschritten, ist eine Umstellung in der Fütterung keinesfalls ratsam. Dadurch bilden sich die Geschlechtsorgane rasch zurück und kümmern dann vielleicht für´s ganze Leben. Ohnehin sollte jede Umstellung in der Fütterung nur ganz allmählich erfolgen. Auch die Befiederung erfolgt in der Regel im gleichen Tempo. Wir legen aber Wert auf gute Körpergröße , und wer neben dem Eiersegen auch noch Wert auf Ausstellungserfolge legt, wird erkennen müssen, daß die Federbildung der Asiaten von der der Mittelmeerrassen grundverschieden ist. Der erfahrene Züchter weiß, daß Vögel mit der vielkritisierten Gefiederbremse, nach völliger Durchmauserung, in der Regel nicht nur die schönsten, sondern auch die körperlich robustesten Vertreter dieser mittelschweren Halbasiaten sind, vorausgesetzt, daß die Befiederung glatt und ohne krankhafte Störungen vor sich geht. Gerade die Federbildung, nicht das Befiederungstempo, ist ein nicht zu unterschätzender Wertmesser für die Vitalität des Tieres und seiner hierauf basierenden Leistungsfähigkeit. Wenn schon beim Kleinküken die ersten Schwingenfedern spreiten, stimmt etwas nicht, entweder in der Haltung oder noch wahrscheinlicher im Erbgut.
Musterbild und Musterbeschreibung erläutern das Erscheinungsbild des idealen Einzeltieres. Unsere Bestrebungen aber sind ausgerichtet auf die nach diesem Ideal schön ausgeglichenen Herde. Obgleich es in der lebenden Natur zwei völlig gleiche Wesen nicht gibt, können trotzdem alle Tiere einer Herde mustergültig schön sein. Vor kleinlichen Übertreibungen kann nicht dringend genug gewarnt werden. Das ideale Einzeltier besitzt heute keinen Seltenheitswert mehr. Es mehren sich die Warnungen vor allzu präziser Fixierung des Typs, da mit dem Verlust eines einzelnen Gens unter Umständen schon die ganze Zucht zugrundegehen bzw. nur noch durch Fremdblutzufuhr erhalten werden kann. Letzte Zeichnungsfeinheiten erreicht man nur über die Inzucht bzw. Inzestzucht mehrere Generationen hinduch, aber der praktische Erfolg hängt davon ab, ob die Inzuchtlinie bei solchem Hochstand in der unbedingt notwendigen Vitalität erhalten werden kann. Daher kann nur empfohlen werden, nicht alle Zuchttiere auf den Idealtyp auszurichten. Die Erhaltung einer gewissen Variabilität innerhalb des Zuchtstammes ist eine Sicherheitsmaßnahme, die nur zu empfehlen ist, ganz besonders, sofern man mit nur einem Zuchtstamm auskommen muß.
Erinnern wir uns immer wieder an einen Ausspruch eines unserer größten Experten der Wyandottenzucht, Prof. A. Reiß: "Fern von allen Übertreibungen, vor denen wir stets gewarnt haben, zeigt sich uns ein kräftiges, behäbiges und doch elegantes Huhn, von reichlicher Mittelgröße, das durch den ruhigen Fluß der kurvigen Umrisse des Rumpfes und des Kopfes, durch die gefälligen Proportionen, von Höhe, Länge und Breite eine stilvolle Eigenart verrät, die kaum bei einer zweiten Hühnerrasse in dieser Vollkommenheit zu finden ist, was allein den Rassezüchter ausmacht, der Sinn hat für den Adel der Tiere."