Die gestreiften Wyandotten Teil 2
Die gestreiften Wyandotten Teil 2
Die ersten Versuche um die Herauszüchtung gesperberter Wyandotten begannen bei uns vereinzelt etwa um 1907. Als dann um 1910 die schon seit 1880 auch bei uns bekannten Plymouth-Rocks in neuartiger Streifenzeichnung, amerikanischer Zuchtrichtung, auftauchten, lag es gewissermaßen in der Luft, diese mit Begeisterung aufgenommene Zeichnungsart auch auf die schon in recht vollendeten Formen vorhandenen weißen und schwarzen Wyandottenzu übertragen. Daß der damaligen Einstellung entsprechend und aus Lust am Experimentieren noch weitere Farbenschläge, ja sogar andere Rassen zur Herauszüchtung benutzt wurden, sei nur nebenbei erwähnt und machte die Sache nur komplizierter. Zum Vorteil dieses neuen Farbenschlages wurden die Versuche gleichzeitig und unabhängig voneinander von mehreren Züchtern in verschiedenen Gegenden Deutschlands mit gutem Erfolg unternommen. In erster Linie war es der 1940 verstorbenen Altmeister Hermann Ellerkmann, der sich auch in Wort und Schrift um die neue Rasse ganz besonders verdient gemacht hat. Er war es auch, der zur ersten gemeinsamen Tagung aller beteiligten Züchter aufrief. Diesem Ruf folgten zwölf Züchter aus dem ganzen Reichsgebiet, ein Beweis, wie vielgestaltig die Zucht bereits begonnen hatte. Diese erste Zusammenkunft am 20. Juli 1913 im Nassauer Hof zu Frankfurt am Main wurde zur Gründungsversammlung des "Vereins der Züchter gestreifter Wyandotten". Der Vorstand wurde gebildet. 1.Vorsitzender: H. Ellerkmann, Mühlheim-Speldorf; 2.Vorsitzender R. Tietze, Oberoderwitz; Schriftführer: K. Klehr, Witzenhausen; Kassierer: H. Thiemann, Celle und als Beisitzer: F. Heckmann, Gütersloh, R. Paternoster, Rendsburg, W. Herbrich, Neugersdorf und J. Kramer, Witzenhausen. Als weiterer Mitbegründer waren zugegen: Emil Chur, Dellbrück bei Köln; A. Kuntze, Witzenhausen; H. Rohe, Adelheitsdorf und Oriwol, Mügeln bei Dresden.
Schon am 1.Oktober 1913 gehörten diesem 21 Mitglieder an. Im Herbst dieses Jahres beteiligte sich der Verein mit Spezialschauen in Kassel, Ballenstedt, Duisburg und Dresden, wobei die Spezialrichter aus den Reihen der Mitglieder gestellt wurden. Jede dieser Schauen wurde mit Ehrenpreisen auf beste Gesamtleistung unterstützt und mit einer Mitgliedertagung verbunden. Gelegentlich mit der Nationalen fand am 12.Januar 1914 in Berlin eine Generalversammlung statt. Auch hier beteiligte sich der Verein mit einer Spezialschau. 21 Hähne und 19 Hennen stellten sich hier dem große Geflügelexperten Arthur Wulf. Obgleich die Voraussage dieses großen Fachmannes, im Hinblick auf die gewaltigaufkommende Plymouthkonkurrenz, nicht sehr ermutigend war, war seine ausführliche Kritik in der Presse sehr anerkennend.
Die nächste Generation der gesperberten Wyandotten, wie sie damals bekannt wurden, erlebte keine Schau. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges unterbrach jäh das Vereinsleben und die mit soviel Schwung begonnene Züchterarbeit.
In der Erreichung der Standardform hat es für die gestreiften Wyandotten kaum nennenswerte Schwierigkeiten gegeben. In engster Blutsverwandtschaft mit den einfarbigen Farbenschlägen stehen sie diesen in der Figur kaum nach. Die große, runde Feder begünstigt naturgemäß die gewünschten Körperrundungen. Der zwar nicht klobige, aber kräftige Knochenbau, breit geständert, mit breiten, gutgerundeten Schultern und Rücken bilden die unverkennbare, typische Wyandottenform, bei der eine gute Steigung in der Hinterpartie nicht fehlen darf. Die bei der Henne in der Schwanzspitze noch leicht sichtbaren , artgemäß leicht sichelartig gebogenen oberen Steuerfedern ergeben einen vorbildlichen, schön gerundeten Schwanzabschluß. Übertreibungen hierin aber stören sehr das Bild beweglicher Eleganz. Ebenso fehlerhaft sind abstehende, bauschige Schenkelkissen. Auch bei der Henne sollen die Schenkel im Rumpfgefieder noch leicht sichbar sein. Ohne den typischen Wyandottenkopf wäre das Gesamtbild der gerundeten Körperform unvollständig. Der gewölbte, über den Augen ganz klein wenig überbaute, breite Schädel mit dem ebenfalls gewölbten, fest aufgesetzten Rosenkamm. mit dem nicht zu langen runden Dorn, der der Nackenlinie folgen soll, verleiht dem Tier einen gewissen Adel.
Die Kammform bedarf bei den gestreiften Wyandotten noch einiger Aufmerksamkeit. Nicht nur, daß das Plymoutherbe des einfahcen Stehkammes immer wieder vereinzelt in Erscheinung tritt, sondern auch die unterschiedlichen Formvariationen des Rosenkammes sind zu beachten. Nicht ohne Grund besagt die Musterbeschreibung, daß der Rosenkamm fest und gleichmäßig aufgesetzt sein soll, denn locker hochstehend, dazu vielleicht noch im Vorderteil eine kronenartige Spaltung, die sogenannte Kamm-Mulde, verrät die Neigung zur Rückbildung zum einfachen Stehkamm. Eine weniger feine Perlung, ein etwas stumpfer oder auch abstehender Dorn sind kleine Mängel, die als leichte Fehler gelten, aber dem Steckdorn, wie auch im Standard erwähnten Mehrspitzdorn dürfen keine Zugeständnisse gemacht werden. Beide Fehler sind sehr hartnäckig in der Vererbung und daher von jeder Bewertung ausgeschlossen.
Etwas mehr Nachsicht in der Bewertung erfordert die Augenfarbe. Die Musterbeschreibung verlangt diese orangerot, das Auge selbst groß, rund, hervortretend. Ein feuriges Auge mit kreisrunder Iris bezeugt die Vitalität des Tieres, dagegen können Veränderungen bzw. unregelmäßige Abgrenzungen in der Regenbogenhaut Anzeichen beginnender Leukämie (Weißblütigkeit) sein. Wohl zu unterscheiden hiervon ist ein etwas helles, gelbliches Auge, ein Erbe der Kämpferahnen, was mit der Gesundheit des Tieres nichts zu tun hat und bei der Bewertung im Schaukäfig als solches erkannt und weniger hart gestraft werden sollte. Variationen zwishen gelber und orangefarbiger Iris sind beim Geflügel durchaus nicht selten und durch Fütterung und Legeperiode stark beeinflußbar. Dagegen ist eine weißliche Iris, das sogenannte Fischauge, ein grober Fehler, der sich sehr hartnäckig vererbt und demnach zu bekämpfen und in der Bewertung hart zu strafen ist.
Die Streifenzeichnung beim Geflügel ist eine auf Inzuchtbasis durch einseitige Zuchtwahl hervorgebrachte Verfeinerung der Sperberung, wie sich auch bei Wildvögeln gar nicht selten ist. Eine präzise Abgrenzung zwischen Streifung und Sperberung gibt es nicht. Nur auf Inzuchtbasis läßt sich die Streifung zu höchster Vollendung steigern. Ihre Vererbung ist sehr konstant und macht in der Zucht durchaus keine Schwierigkeiten, sofern nur die einfachsten Zuchtregeln beachtet werden. Die alte Züchterweisheit, der Hahn vererbt die Farbe, trifft in diesem Fall tatsächlich zu. Der Streifenfaktor ist geschlechtsgebunden und wird auf die männlichen Nachkommen in doppelter Chromosomenanzahl ererbt. Daher erscheinen die Hähne heller als die Hennen aus der gleichen Erbmasse und entsprechend der Federstruktur ist die Streifung enger. Die Praxis hat gezeigt, daß sich bei Fremdpaarungen die schwarze Grundfarbe weit konstanter durchsetzt als die helle Streifung. So sind alle Nachkommen, selbst aus einer Paarung mit weißen Hennen, zu dunkel. Wohlgemerkt, jede Fremdblutzufuhr neigt aber nicht nur zum Dunklerwerden, sondern auch wieder zur ursprünglichen Sperberung, und vergrößert zudem den farblichen Unterschied zwischen beiden Geschlechtern. Von einem Farbschwund kann sonit keine Rede sein. Allerdings wissen wir aus der Erfahrungen der zwanziger Jahre, daß es zu einem Verblassen der schwarzen Grundfarbe nicht kommen darf. Solange aber diese tiefschwarz ist, ist die Gesamttönung in der Wyandottenzucht nie zu hell.
Normalerweise ist bei einer Fremdpaarung schon die F1-Generationsowohl rosenkämmig als auch gestreift. Beide Erbfaktoren sind dominierend. Beim Beginn der Zucht um 1910 begünstigte die damalige hellere Zuchtrichtung der gestreiften Plymouths die Übertragung der hellen Streifung auf die in Form und Grundfarbe bereits vorhandenen schwarzen Wyandotten naturgemäß sehr und galt diese dann auch jahrelang als Vorbild in der Wyandottenzucht.
Die Musterbeschreibung verlangt auf glänzend schwarzer Grundfarbe jede einzelne Feder möglichst gradlinig und nicht zu eng, grauweiß, quergestreift, etwa im Verhältnis 1:1. In Wirklichkeit ist die Streifenfarbe weiß, aber in der durchsichtigen Federstruktur wirkt sie leicht grau. Ferner betont die Musterbeschreibung, daß in der Wyandottenzucht in beiden Geschlechtern keine der beiden Farben die Vorherrschaft haben soll.
Für diese Zeichnungsart ist von Wichtigkeit, zu wissen, daß die Form der Feder, also das Verhältnis, der Breite zur Länge der einzelnen Feder bestimmend ist für die Anzahl der Querstreifen, oder noch genauer gesagt, die Federform bestimmt die Breite der einzelnen Streifen. Somit ist verständlich, daß Bestrebungen auf allzuenge Streifenbildung in der Wyandottenzucht der für diese Körperform unbedingt notwendigen großen, runden Feder zuwiderlaufen und zu gegensätzlichen Schwierigkeiten in der Zucht führen müssen. Der Reiz dieser Zeichnungsart liegt bei den Wyandotten einzig und allein in der lichtblauen Gesamttönung. Damit ist auch gleichzeitig der nötige Abstand geschaffen und dem Eindruck einer gewissen Unfertigkeit gegenüber der Plymouthstreifung begegnet, da diese Streifenmenge einen dunkleren Farbton bedingt.